25.02.2005 Kurt Demmler im Online Interview
.
Michael + Peter Günther
© www.ostmusik.de 2005
In deiner langen Zeit als Texter und Liedermacher bist du mit den verschiedensten Künstlern und ihren
unterschiedlichen Haltungen konfrontiert worden. Wie empfandest du den sich unwillkürlich aufbauenden
Spannungsbogen bei Auftragswerken und deinem persönlichen Anspruch? Wie bist du damit
umgegangen, hattest du damit manchmal Probleme und kam es dadurch gar zu Ablehnungen,
Lyriks zu schreiben?
bei übereinstimmung in den grundwerten passte ich mich in fragen der details gern der gewünschten
interpretenhaltung an. die authentizität eines songs und seines interpreten hing davon ab.
meine texterauthentizität hatte dafür etwas zurückzutreten. deshalb nenne ich mich auch nicht
dichter. meine texte sind immer nur teile eines verbundenen kunstwerks
Wie hast Du es empfunden, dass im Zuge der musikalischen Entwicklung deine Texte ab den
80er-Jahren von neuen Bands und Interpreten nicht mehr in so hohem Maße nachgefragt wurden,
weil eine andere, direkte Sprache von Musikern und Publikum favorisiert wurde und Leute wie Karma
unglaublich populär wurden. Hat es geschmerzt, den eigenen Stern sinken zu sehen?
ich hatte das übliche problem eines älter werdenden menschen. man hat seine progressive zeit zwischen
zwanzig und dreißig. danach beginnt man sich zu wiederholen. wiederholte kunst ist aber klischee.
das erfolgsmuster nutzt sich ab, zumal andere es noch zusätzlich kopierten.
bevor karma kam, habe ich silly betextet. ich meinte fälschlicherweise, sie popmäßig bedienen
zu müssen. später,
als mir tamara die ersten produktionen mit karmatexten vorspielte, beschwerte sie sich:"mensch alter,
für renft hast du so tolle rocktexte gemacht und uns kommst du mit schlagerscheiße!".
ich entschuldigte mich für das missverständnis. schließlich hätten die jungs und das mädel mir
das auch früher sagen können, auf was sie hinauswollten. aber da haben sie gekuscht, weil sie
die platte nicht riskieren wollten (siehe "tanzt keiner boogie"). nachträglich war aber aus sicht
der gruppe alles richtig gelaufen. sie bot neue musik und neue texte. es war beste kunst.
und ich war bei allen selbstvorwürfen bereit, karmas arbeit für die gruppe als das bessere anzusehen.
meine tage auf dem spitzenplatz meines jobs schienen gezählt.
ich erklärte 86 in der "melodie&rhythmus" (seit kurzen wieder aktiviert und nun die beste musikzeitschrift
für das vereinte deutschland, die es gibt) meinen abschied als deutschrocktexter.
im gleichen jahr, glaube ich, erhielt ich den nationalpreis (war ja nun nicht mehr so gefährlich).
und weißt du, wer mein erster gratulant am telefon war? - karma, der von meinen arbeiten für renft
schwärmte und zugab, mal von mir gelernt zu haben.
ich wendete mich, neben einzelnen plattenerarbeitungen für bursy, puhdys u.a. unter pseudonym,
dem musical zu.
diese pläne starben allerdings mit der wende. die kulturellen chefsessel der neuen länder waren
eins zwei drei in wessihand. da gingen auch die musicalaufträge nur an die im westen bekannten kunzes
(dr.michael und heinz rudolph), klaus hoffmann oder konstantin wecker.
ostliedermacher kannte man nicht, wollte man auch nicht kennenlernen.
nicht meine bisherigen rockopern- und musicalarbeiten (z.b. mein antistalinistischer "chronist"
nach stephan heyms "könig david-bericht" - lief kurz nach der wende erfolgreich in drei theatern
der ddr) wurden nicht zur kenntnis genommen.
Ich hab mal in den 70er-Jahren gehört, dass Du in einem Leipziger Schallplattenladen die Herausgabe
all seiner vorrätig gehaltenen LPs verlangte, und dieselben komplett aufkaufte ... stimmt das?
keine ahnung, was die frage soll. liedermacherplatten hatten keine riesenauflagen.
wenn da ein interpret seine platte 20 mal kaufte (als geschenk für familie und freunde) war die platte
in dem laden auch schon mal aus. na und...?
Stimmt es, dass Du mit Kurzhals an irgendwelchen musikalischen Projekten arbeitet? Was sind das für
Projekte?
protzmann und kurzhals hatten ein projekt mit dem management von nina hagen angekurbelt.
ich wurde als texter hinzugezogen. schließlich war ich ja schon ninas texter in der ddr.
der arbeitsmäßige kontakt mit ihr nach so langer zeit war mir wieder ein erlebnis. aber das projekt
scheiterte an dingen, in die ich keinen einblick habe und die mich wenig interessieren.
an meinen texten zumindest lag es nicht. nina äußerte sich nämlich begeistert zu meinem
neuen farbfilmtext "wir ham den farbfilm vergessen".
interessierte finden ihn auf meiner homepage. protzmann und kurzhals versuchten,
das projekt mit einer anderen interpretin zu retten. eine produktion mit der schauspielerin kathrin sass
("good bye, lenin") fand statt, genügte aber wohl nicht den zielgruppenansprüchen der bmg berlin.
aus. das wars.
Nun noch eine lustige Frage: Aus gut informierten Kreisen hab ich erfahren, dass Stephan Trepte die Verse
von "Mein Herz soll ein Wasser sein" nach eigenem Gutdünken vertauscht hat? Warst Du darüber verstimmt?
Stimmt es, dass diese Verstimmung nachließ, als er erfahren hat, dass sich der Song als Single sehr gut
verkaufte...?
so lustig find ich die problematik nicht. man unterstellt mir immerhin, geld könnte bei mir missratene
kunst heilen. kann es nicht. ich kann mich nicht daran erinnern,
je für geld gearbeitet zu haben oder gar meine kunst dafür verraten zu haben.
ob ich mit trepte mal ein problem der geschilderten art hatte, keine ahnung. an das ende dieses liedes
gehört mit sicherheit das aus den augen überlaufende herz. wenn es nicht am ende steht,
hat das lied verloren. werde mal bei gelegenheit auf dein nikolausgeschenk hören,
peter, da wird ja wohl auch d e r song draufsein.
Welche Deiner Soloplatten empfindest du als die Beste und gibt es eine, die Du heute nicht mehr machen
würdest?
meine platten interessierten mich nie sonderlich. es waren kaum meine. weder konnte ich sagen,
wann ich eine machen wollte, noch wo und vor welchem publikum, vor allem nicht, was für songs
da raufkommen. das entschieden die zensurverantwortlichen.
ich konnte bestenfalls vorschläge einreichen und um das eine oder andere mir wesentliche lied
einen aufreibenden kampf bis ins ministerium und zk führen, selten mit erfolg.
ich fühlte mich weder durch die inhalte noch durch die fehlende professionalität der aufnahmen
bestätigt. sie lieferten ein langweilig geglättetes bild von mir und meinem repertoire.
um meinen ärger darüber nicht immer wieder aufzuwirbeln, verzichtete ich darauf, sie anzuhören.
Nach 1989 war ja eine ganz informationsleere Zeit. In der EX DDR versanken die damals anerkannten
Künstler erst mal in einem Loch, weil kein Bedarf mehr war. Die Veränderungen damals waren ja auch
in ganz Europa, wie haben sie Dich beeinflusst, was hast du in diesem Zeitraum getan, was empfunden?
ich habe schnell erkannt, dass mein berufsleben als autor beendet ist, aber auch, dass man auf
mich als arzt nicht mehr wartete. die neuen herren kannten mich nicht.
die medientreffs, zu denen ich anfangs noch eingeladen war, erkannte ich nicht als meine chance
(während toni krahl neben mir seinen produzenten- und labeljob klarmachte).
ich wurde auch sehr ungläubig gemustert, als ich da statt in "bunte"tauglichem armani in meiner
üblichen jeansstraßenkleidungierschien. ich hatte es nie gelernt, mich aufzumotzen, zu bewerben
und anzubieten.
mir sind alle auftraggeber und potentiellen partner bisher hinterhergerannt. nun gab es keine mehr.
die bands lösten sich auf. die verbleibenden interpreten suchten sich westautoren mit beziehungen
in der neuen szene. die alten staatlichen produzenten gingen nach hause.
ich war noch nie in meinem leben so dumm rumgestanden. da die tantiemen aber noch gut liefen,
ein großteil der platten wurde noch mal auf cd rausgebracht, hatte ich auch keinen druck.
aus meinen stadtwohnungen in leipzig und berlin herausmodernisiert, zog ich mich auf ein
eremitenähnliches dasein in die mark zurück. da gucke ich auf den see und finde es wunderbar.
naja, wer s glaubt ...
Welche Musik hörst Du privat?
kein spezielles genre, je nach stimmung klassik, jazz, rock, pop, chansons...bloß nicht die
eigenen sachen.
Gibt es ein unvergessliches Erlebnis in deiner zeit als Liedermacher, wo es dir heute noch den Rücken
runterläuft bei der Erinnerung daran?
in meiningen hatte ich im september 89 meinen letzten offiziellen ddr-auftritt vor der wende
(danach war ich natürlich wieder aus dem verkehr gezogen). 40 von der stasi dirigierte leute,
die ohne eintrittskarten hereingelassen werden mussten, wollten mich von der bühne holen,
als ich ansetzte, die resolution der rockmusiker und liedermacher mitten in meinem programm
"gute macht, freunde" zu verlesen.
gleichzeitig wurde das haus von bereitschaftspolizei mit hundeführern umstellt und mein publikum
am ausgang ausweiskontrolliert. dieses hatte ziemlich verwirrt die ganze szene beobachtet, die hektischen
aktionen, gebrüllten parolen, den ungewohnt offenen politischen disput, der sich zwischen meinem
bühnenplatz und den randalierern entwickelte, und sich kaum in der lage gefühlt, mir beizustehen.
zu sehr kannte man sich gegenseitig in dieser kleinstadt. und die neue stimmung der
leipziger montagsdemos war noch nicht ganz angekommen in meiningen.
ein jahr später, ich war zum ersten mal wieder auf einer meininger bühne, entschuldigte sich ein arzt,
der schon damals im publikum gesessen hatte, dafür, dass er und das übrige meininger publikum mir bei
dem auftritt nicht ausreichend zur hilfe gekommen seien.
damals hatte ich alles cool absolviert und nur auf der einsamen autorückfahrt innigst gehofft,
dass noch alle schrauben an meinem auto dran wären.
aber angesichts dieser entschuldigung brach die ganze innere erregung und anspannung vom 89er herbst
noch einmal auf und ich...heulte los. nein, stark ist man immer nur sehr vorübergehend.
Würdest du noch mal auf die Bühne gehen, welche Voraussetzungen müssten da erfüllt sein?
ich müsste ein bis drei musiker finden und eine nach dem kleinen prinzen klingende stimme.
und es dürfte ihnen nicht nur ein ökonomisches sondern sollte ihnen auch ein inhaltliches anliegen sein,
mit mir z.b. den gedanken exuperys musikalischen ausdruck zu verleihen. also kämen wohl eher
amateure in frage.
Schreibst du noch Lyriks für andere Künstler? Oder für dich selbst, ganz privat?
es gab einige versuche mit produzenten (z.b.mandoki), interpreten (z.b.inka, veronika fischer,
yvonne catterfeld), bands (z.b. "silbermond"). die arbeit machte den alten spaß. aber danach gab es
regelmäßig probleme mit den plattenfirmen, der inverlaggebung oder sogar auseinandersetzungen
urheberrechtlicher art.
"silbermond" hatte von mir z.b. den text "verschwende deine zeit" angeboten bekommen.
sie machten sich unter beibehaltung des titels und der headline ihren eigenen draus und benannten
danach die ganze cd (also keine unwesentliche idee).
meinen gleichnamigen text kann ich nun wegwerfen. hatten sie vielleicht von vornherein nur ideen
für eigene texte gesucht, als sie mich um mitarbeit baten? ich weiß es nicht. ein gespräch darüber
lehnten sie ab. stattdessen hörte ich von ihrem anwalt (dabei hätte mir das geld, das sie in den anwalt
steckten, als entschädigung schon genügt).
es gibt keine kollegialität mehr, scheinbar nicht mal mehr zwischen ossis.
es gibt kein vertrauen mehr. und wie soll man texte anbieten ohne vertrauen, dass die betexteten sie
nicht in ihre verwandeln. alles, was man anfasst, endet heute vor gericht. die uncleveren und die,
denen der streitwert zu hoch wird, bleiben auf der strecke. es geht zudem nicht mehr um ein
künstlerisches produkt, nur noch um zielgruppen und kaufkraft. kreative und eben vertrauensvolle
zusammenarbeit sind fremdwörter geworden.
die einzelnen arbeitsgänge zu einem song laufen völlig getrennt voneinader ab. text-und musikautor
kennen einander nicht. der interpret ist ihnen nur aus den medien bekannt, die autoren dem interpreten
noch weniger.
all die vielen schönen kommunikationsmöglichkeiten der zeit helfen nicht weiter, wenn man die
gegenseitigen adressen nicht erfährt oder freigiebt.
so bleibt alles in der hand des a&r-managers der plattenfirmen. der gibt die zentrale schaltstation, empfängt
den musiktrack, gibt ihn (weil er keine ahnung hat) gleichzeitig weiter an arrangeur und texter,
so dass ersterer in erwartung eines anderen textes das und letzterer in erwartung eines anderen
arrangements jenes erarbeitet.
naja, wenn der a&r dann genug muster und anregungen durch die eingegangenen texte hat, schreibt er
auch mal den endgültigen text selbst. "für den longplayer ist eh alles möglich, schöpft eh nur den
singleerfolg ab", behauptet er zynisch. es ist fürwahr keine welt für künstler, idealisten und kollegen.
arbeit muss spaß machen. "aber das is ja eben euer sozialistischer irrtum", grinst der wessi,
"geld muss sie machen und das macht dann den spaß".
so bin ich zur zeit damit beschäftigt, meine texte (es werden mehrere tausend werden und ich hatte
noch spaß bei deren erarbeitung) ins internet zu stellen, wo ich sie zum vertonen und interpretieren
für jedermann anbiete. so werden schon die richtigen texte an die richtigen kollegen geraten.
aber natürlich stehe ich für jedermann auch zur verfügung, der seine musiktracks von mir texten
lassen möchte.
das eine wie das andre, ohne dass geld fließt. ich glaub, ich werd nie n richtiger wessi.
Die letzten Worte gehören dir ….
danke für eure fragen und besucht mich mal auf meiner homapage:
www.demmlersong.de