02. + 03.07.2004 Kückenshagen - Arno Schmidt
Bericht: Brita Duwe
Comebacks stehen immer häufiger auf der Tagesordnung, viele Künstler, die eine
Schaffenspause einlegten, versuchen wieder erfolgreich aktiv zu werden.
Ein Musiker, besser zwei, der/die quasi erst überzeugt werden mußte(n), wieder
richtig auf die Bühne zu gehen, startete(n) ganz offiziell, wenn auch im kleineren
Rahmen, sein/ihr Comeback: Arno Schmidt & Frank Seidlitz. Ich hatte Arno Schmidt
zum ersten Mal 1989 gehört: „Aber Fliegen" - so der Titel seiner einzigen
Amiga-Veröffentlichung.
Live lauschte ich ihm und Frank Seidlitz am 07.11.2003 in Würzburg. Da waren sie,
zwei damals noch Hobbymusiker aus dem „Osten" im „Westen" und eroberten die
Zuschauer quasi im Sturm. Ein wirklich denkwürdiges Ereignis: Ich besuchte mein
erstes Konzert von Arno Schmidt und Frank Seidlitz. Was mir auch als sehr wichtig
erschien: die Anwesenheit des Texters Ed Stuhlers.
Das Konzert fand als Abschluß des Symposiums „Lied und Politik - Das Beispiel
DDR", eine Veranstaltung an der Universität Würzburg, um die gewonnen Eindrücke
der Veranstaltung zu vertiefen und diese somit abzurunden.
Wer Arno Schmidt schon einmal live hören und sehen konnte, der weiß, wie intensiv
er mit ganzer Seele dabei ist: Gesang, Mimik, Gestik. Selbst wenn man ihn nicht
sieht - man kann das leise Lachen in seiner Stimme hören - vor allem aber die
wirkliche Natürlichkeit, manchmal auch eine gewisse Art „Schüchternheit" nehmen
den/die Zuhörer völlig gefangen...
Wer ist das denn, fragt nun sicher der eine Leser. Manch anderer horcht auf und
staunt: gibt es diese Künstler etwa noch?
Wer sind Arno Schmidt, und wer Frank Seidlitz? Nun, dieses genauer zu erläutern,
das würde den gegebenen Rahmen sprengen, dafür gibt es diverse Links, die auch
hier auf dem Webportal zu finden sind, welches Peter Guenther sehr vielseitig,
übersichtlich und mit sehr viel Liebe zum Detail gestaltet.
Nur soviel sei gesagt: Schmidt und Seidlitz gehören zu den wenigen Musikern, die
mit deutschsprachigen Liedern, nicht hauptsächlich über die Liebe und das
oberflächliche Leben erzählen, ganz im Gegenteil. Ihre Musik war und ist
gesellschaftskritisch, spricht teilweise die eher unangenehmeren Dinge des
alltäglichen Lebens an.
"Muß man sich das wirklich antun?", so fragt sich der Leser/Zuhörer. Die Antwort
kann und muß nur lauten: Ja, jeder sollte diese Lieder/Songs mit Sinn, Biß, Wut,
Sarkasmus, ?Zynismus?, auch Humor und einer gewissen Art der Sinnlichkeit
anhören, zumindest reingehört haben, um wieder einen Blick in und für die Realität
zu erhaschen.
Das ist ungemein wichtig, gerade in einer Zeit wie dieser, in der viele Dinge nur noch
auf Oberflächlichkeiten wie Kaufen und Haben ausgerichtet sind, denn wer von uns
braucht wirklich das alles, was er gegen Bares erstehen kann, gibt es nicht doch
Wichtigeres??
Am 02. und 03. Juli diesen Jahres fand der musikalische Neuanfang statt.
Auftrittsort: Die „Kulturscheune" in Kückenshagen, Nähe Rostock. Ich hatte noch nie
zuvor von diesem Ort gehört, aber heute möchte nicht missen, dort gewesen zu
sein.
Beide Konzerte bargen etwas Besonderes, wenngleich die Gestaltung der
Scheune, das Programm nicht anders, allein, und das ist sehr wichtig: das Publikum
unterschied sich, was natürlich auch völlig andere Betrachtungen auslöst.
Stellt Euch vor, Ihr betretet eine Scheune: von außen eher unscheinbar... Aber seid
Ihr erst im Raum, dann empfängt Euch eine warme, nicht alltägliche
Atmosphäre: Tische (liebevoll mit Blumen geschmückt) und Stühle, für besondere
Gäste steht sogar eine Couch zur Verfügung, alles buntgewürfelt, an den
Holzwänden Bilder und Werkzeuge aus früheren Zeiten.
Laßt Ihr den Blick nach oben schweifen, so gibt es auch hier jede Menge
Sitzgelegenheiten, inklusive einer sehr originellen VIP-Lounge, die u.a. auch
Familienmitgliedern der jeweiligen Künstler vorbehalten ist... Auf den ersten Blick
scheint die Anordnung der einzelnen Komponenten etwas chaotisch,
aber nimmt sich der Betrachter die Zeit, dann entdeckt er statt Chaos eine sehr
liebevolle Zusammensetzung der einzelnen Stücke.
Ein großes Lob gilt hier an dieser Stelle, den Veranstaltern sowie fleißigen Helfern,
deren originelle Gestaltung zu einem besonderen Flair beitragen...
Aber nun: Vorhang auf, damit die „Vorstellungen" beginnen können...
Der 02.07.2004
An diesem Abend wurde das Konzert größtenteils von Menschen besucht, die, so
mein Eindruck, einen persönlichen Bezug zu den Liedern und den Künstlern hatten.
Im Saal gab es fast keinen Sitzplatz mehr - also so gut wie ausverkauft... Ca. 20.00
Uhr: Die Begrüßung und Vorstellung des Duos erfolgte durch Andreas Ciesielski,
dem Gründer der „Scheune", Stille im Raum, die Musiker begannen...
Das Programm: eine Kombination aus hauptsächlich neuen Songs, basierend auf
Dialogen mit Kindern, seinen Kindern? - das bleibt offen, und älteren, die durch
erläuternde Monologe, besser Zwiegespräche mit „seinem Kind" Arno Schmidts in
eine bestimmte Richtung: neben der Oberflächlichkeit in der heutigen Gesellschaft,
die Gefahr durch Medien und Konsum, aber auch Sekten etc. lenkten.
Charakteristisch für die älteren Songs an sich ist deren Aktualität über die Zeit ihrer
Entstehung hinaus, denn hier wurden und werden Themen von sozusagen „Otto
Normal-Verbraucher" angesprochen. Die Palette geht quer durch den
„Gemüsegarten": von gesellschaftskritisch, sowohl „Ost als auch West", alltägliche
Probleme, bis hin zu den zauberhaftesten Liebesliedern, also: Nachdenkliches,
Melancholisches, Humorvolles, aber auch Bissiges, Wut, und doch alles versehen
mit sehr viel Charme und Ironie...
Texte und Melodie sowie die Interpretation harmonieren und sprechen den Zuhörer
an. Daher möchte ich bei aller Sympathie für den Musiker an dieser Stelle den
Texter und Buchautoren Ed Stuhler, der leider nicht anwesend sein konnte, nicht
„unter den Tisch kehren"; denn es gibt kein Lied ohne Worte (und die Worte haben
es in sich!!) .
Positiv sehe ich, daß die Themen der Songs trotz Anspruch sehr gemischt waren:
gesellschaftskritisch, aber nicht nur in eine Richtung gehend, sondern vielschichtig.
Da ich in der „oberen Abteilung" saß, hatte ich die Gelegenheit immer wieder einen
Blick ins Publikum zu erhaschen. Die Künstler überzeugten erneut durch Gesang,
ihr ausgezeichnetes gitarristisches Können, ihre Ausstrahlungskraft, einprägsame
Texte, aber auch durch ihre Fähigkeit, besonders auf die Zuhörer „zugehen und sie
somit gewissermaßen fesseln zu können"... Hinzu kam die unglaublich gute Akustik.
Beiden, sowohl Arno Schmidt als auch Frank Seidlitz war während der Veranstaltung
neben gewissem Lampenfieber anzumerken, wie tief sie selbst mit den einzelnen
Liedern verbunden waren und nach wie vor sind, jedem auf seine eigene Art - Arno
Schmidt, der Lebhaftere, Frank Seidlitz, der eher ruhigere Pol...
Emotionen zeigen zu können ist gerade in der heutigen Zeit eine Kunst, schließlich
werden Gefühle oft als Schwächen ausgelegt Und wer ist denn schon gern
„schwach", zumindest nach außen hin?
Die Menschen in Scheune waren begeistert, je nach Song erschallte Lachen bzw. es
ging ein Raunen durch den Raum oder es herrschte Stille, eine Stille, bei der man
die bekannte Stecknadel auf den Boden hätte fallen hören... Es war eine
unglaubliche Atmosphäre, in die sowohl Künstler als auch Zuhörer eintauchten.
In der Pause gab es die Möglichkeit, mit den Musikern persönliche Worte zu
wechseln, im Nachbarraum in den scheunenverlagseigenen Büchern zu schmökern,
die es auch käuflich zu erwerben gab, sich an der Bar mit „Brotzeit" und Getränken
zu versorgen oder am Lagerfeuer vor der Scheune mit anderen Zuhörern ins
Gespräch zu kommen...
Teil II des Programmes faszinierte ebenso und als Arno Schmidt und Frank Seidlitz
sich verabschieden wollten, durften sie nicht gehen, denn eine Zugabe folgte der
nächsten, und dann doch: das Ende des Konzerts: Blumen für beide Künstler,
Blumen nicht durch irgendwen, sondern von den beiden kleineren Töchtern für ihre
Väter, begleitet von Beifall und Zurufen aus dem Publikum...
Der 03.07.2004
Auch „heute" nur noch zwei freie Sitzplätze... Wie ich bereits erwähnte, gab es, die
Programme betreffend keine wesentliche Unterschiede außer etwas anderer
Zwischentexte und dem Publikum... Während am Abend zuvor „befangene", da nicht
unwissende, Zuhörer anzutreffen waren, so trafen sich nun, so meine persönlicher
Eindruck, die eher Neugierigen, und in gewisser Weise auch „Jüngeren".
Was besonders zu erwähnen ist: die andere Art der Faszination, das Mitgehen bei
den einzelnen Songs, das unwillkürliche Nicken bei bestimmten Passagen; natürlich
zu Beginn etwas verhaltener und abwartender, aber recht zügig wendete sich das
Blatt in Puncto Begeisterung und Verträumtheit.
Jugendliche hören und schauen nicht völlig entspannt und wirklich fasziniert für
längere Zeit auf die Bühne, wenn sie nicht beeindruckt sind. Vor allem suchen sie
nicht nach den besonders geeigneten Plätzen, um Fotos zu machen....
Das fand ich persönlich sehr interessant und es bestätigt mich in meiner Meinung,
daß Musik etwas Wunderbares ist und Anspruchsvolle noch dazu.
Die Künstler, die Songs, deren künstlerische Darbietung, das wirklich
ausgezeichnete gitarristische Können, sowohl von Seiten Arno Schmidts, als auch
Frank Seidlitz `s, das machte ebenso diesen Abend zu etwas Besonderem.
Sie nahmen die Zuhörer gefangen, denen sie zuvor völlig unbekannt waren.
Fazit: Ja, das Comeback: vor allem auch für Arno Schmidt und Frank Seidlitz war es
meiner Ansicht nach wirklich ein Erfolg, zum Einen, weil sie über Jahre hinweg
treues Publikum erneut verzauberten, und zum anderen die Neugierigen faszinierten
und somit für sich gewinnen konnten...
Ich wünsche beiden Musikern von Herzen alles erdenklich Gute privat und in ihrem
Schaffen, aber auch uns, den Zuhörern noch viele bewegende Momente wie an
diesen beiden Abenden!!!
© www.ostmusik.de 2004