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Color Band (Niesky) Peter Günther (2024) - Fotos Privater Medienbestand: Peter Günther
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Große Bands in der DDR begannen ihre Karriere meist als Amateure auf den Tanzsälen der Republik. Wenn es ihnen dann gelang, in den Profi-/Berufsstandard zu wechseln, sie eigene Titel im Rundfunk produzierten und Platten entstanden, gingen sie dazu über, sich in Konzerten zu präsentieren. Die Bedürfnisse nach Tanz mit Live Musik erfüllten eine Vielzahl von Amateur-Bands, die in ihrer Freizeit unter sehr großem Aufwand mit viel Leidenschaft die Tanzbühnen bespielten. Eine solche Amateur-Formation war in den 80er Jahren die „Color Band“ aus Niesky, in welcher ich als Tontechniker wirkte und somit einen tiefen Einblick in die Gefilde der Amateurmusik bekam.
Mitwirkende Andreas Kühnemund - voc, g, ld - (1981-1985) Michael Wollny - voc, g - (1981-1985) Christoph Pobig - voc, b - (1981-1985) Roland Richter - dr - (1981- 1984) Bernd Schneider - dr - (1984-1985) Henry Hanusch - voc, keyb - (1984-1985) Hubert Teuchner - licht technik - (1981-1985) Peter Günther - ton technik - (1981-1985)
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Die Geschichte der Gruppe begann 1981. Vier junge Amateurmusiker fanden zusammen und begannen, intensiv zu proben. Dabei spielten in der Auswahl der Titel die aktuellen Hits eine große Rolle. Nach ersten Auftritten in kleineren Veranstaltungsrahmen, welche sehr positiv angenommen wurden, begannen sie, das Titelrepertoire ihren eigenen musikalischen Vorlieben anzupassen und damit dem Publikum einen Wiedererkennungseffekt dank ihres bevorzugten Musikstils zu schaffen, wobei auch der a capella Satzgesang Einzug hielt.
Die Color Band tourte vorwiegend durch die ehemaligen Bezirke Dresden und Cottbus. Die Muggen fanden u.a. in Görlitz, Hoyerswerda, Lauchhammer, Pirna, Rothenburg/OL, Särichen, Krauschwitz, Pechern, Kromlau und - als Heimspiel - in Niesky statt. Es kam durchaus mal vor, dass beispielsweise Lieder von Neil Young während der Auftritte bis zu 20 Minuten improvisatorisch gespielt wurden. Auch eigene Titel entstanden.
Die Proben wurden intensiviert, was einen sehr hohen logistischen Aufwand erforderte. Alle Musiker waren berufstätig, teilweise in Schichtarbeit eingebunden, hatten Familie und kamen aus verschiedenen Wohnorten. Im Nachhinein denke ich oft, welch‘ ein Wunder, dass alles so zusammenging und funktionierte! In der Woche bis zweimal proben, am Wochenende vor Publikum spielen, wobei im Vorfeld der gemeinsamen Proben jeder für sich zu Hause seinen Part üben musste. Mit der Anzahl der Auftritte, auch der zunehmenden Größe von Auftrittsorten, wurde die Anpassung der technischen Ausrüstung zwingend erforderlich. Wer in diesen Bereich selbst eintauchen durfte, weiß, wovon ich hier schreibe. Es gab aus einheimischer Produktion an Verstärkeranlagen, Instrumenten und Effektgeräten wenig Auswahl und die Preise dafür waren üppig. Um die Musik unter diesen Bedingungen auf Veranstaltungen zu präsentieren, waren große Aufwendungen notwendig. Die Instrumente stemmten die Bandmitglieder selbst, die Licht- und Tonanlagen wurden zum größten Teil von allen, einschließlich der beiden Techniker, getragen.
Durch die vorhandenen beruflichen Fähigkeiten und Fertigkeiten aller Bandmitglieder (Schlosser, Elektromonteure, KFZ Mechaniker) konnten viele Anlagenteile selbst entwickelt und gebaut werden: Schlagzeug-Podest, Lichtanlage mit selbstgebauten Scheinwerfern und Steuerung, Lautsprecherboxen, Frequenzfilter, um nur einige zu nennen. Dieser aus der Not geborene Selbstbehelf erwies sich als durchaus vorteilhaft, denn es wurden nicht nur Kosten gespart, sondern es konnten auch die Ansprüche der Musiker an die Möglichkeiten der künstlerischen Umsetzung und Entfaltung unter den jeweiligen Bedingungen angepasst werden. Heutzutage sind Eigenprojektierung und Eigenbau schier unvorstellbar, hält doch der Markt so ziemlich alles bereit. Allerdings denke ich, dass die damaligen Bedingungen notwendige Anpassungsleistungen und eine gehörige Portion Flexibilität hervorbrachten, die jeden Beteiligten in vielerlei Hinsicht zum Wachstum gereichten. Bestimmte Anlagenteile wurden allerdings auch zu kräftigen Preisen erworben: u.a. 4 Endstufen R 1010 (a 1070 Mark), Mixer 1220 (4920 Mark) und ein analoges Echogerät Planet (2900 Mark). Da musste im Allgemeinen viel privat vorfinanziert werden, denn der Erlös von 6,50 M/h für die Musiker (Mittelstufe) und 30 Mark pro Auftritt je Techniker konnten diese Kosten keinesfalls abdecken.
Mit der Größe der Anlage wuchs das Transportproblem. Reichten in der Anfangsphase zwei PKW mit Autoanhängern gerade so aus, kam diese Kapazität sehr bald an ihre Grenzen. Ein größeres Fahrzeug musste her. Nach langem Suchen erwarb die Band mit einem internen Kredit einen gebrauchten LO 1800 für 11 000 Mark. Im Laufe der Zeit gab es viele besondere Episoden, über welche ich ein Buch schreiben könnte. Eine ist mir sehr im Gedächtnis geblieben, da sie - wie so oft im Leben - sowohl einen positiven als auch negativen Aspekt aufweist. Als die Gruppe 1985 wieder einmal zur Einstufung vor einer Jury antreten musste, welche sich aus Vertretern der FDJ Kreisleitung, SED Kreisleitung, dem Leiter des Kulturhauses in Niesky und irgendeinem Funktionär aus Dresden zusammensetzte, streikte das Echogerät. Ein absolut unpassender Zeitpunkt! Viele technische „Aufhübschungen“ der Musik waren daher nicht mehr möglich. Also hieß es: Alles ohne technische Raffinessen! Man staune über das Ergebnis: Ein Riesenlob der Einstufungskritiker, welche dadurch erkannt hatten, dass die Musiker der Color Band richtig gut singen können. Positiv hervorgehoben wurde auch der bereits erwähnte Satzgesang.
An diesem Tag erhielt die Band die Oberstufe (8,50 M/h). Im Programm erklangen auch eigene Titel mit dem Ergebnis, dass der Vorschlag unterbreitet wurde, diese im Landesfunkhaus Dresden zu produzieren. Und - mal ganz objektiv betrachtet - der Titel „Sind wir allein“, geschrieben von Andreas Kühnemund, hatte in meinen Augen Hit Potential - eine Ballade mit Rockelementen, über die Frage reflektierend, ob die Menschheit allein im All sei. Doch dazu kam es leider nicht mehr, denn wenige Tage vor diesem Termin wurde bekannt, dass ein Bandmitglied einen Ausreiseantrag gestellt hatte. Das war’s: Die Gruppe löste sich am 30.05.1985 auf. Einige Musiker und Techniker sind bis heute noch musikalisch unterwegs. Andreas Kühnemund als Oscar verschrieb sich der Country Musik und veröfflicht(e) eigene CDs. Michael Wollny ist heute Gitarrenlehrer und Musikfachverkäufer. Peter Günther, einer der Techniker, initiierte, erstellt(e) und pflegt die homepage „Ostmusik.de“ und betreut den Internetauftritt der „Omegafreunde.de“. Außerdem konzipiert und moderiert er monatlich eine Sendung mit Schwerpunkt Ostmusik auf Rockradio.de.
Eigene Titel - nicht veröffentlicht: Ich brauch dich (Michael Wollny - Michael Wollny) Mein Lied (Michael Wollny - Michael Wollny) Siehst du die Wolken zieh‘n (Andreas Kühnemund - Andreas Kühnemund) Sind wir allein (Andreas Kühnemund - Andreas Kühnemund) Stop den Wahnsinn (Andreas Kühnemund - Andreas Kühnemund) Wir machen eine Band auf (Michael Wollny - Michael Wollny) Cover Titel (Auszug) 10. Juni - BAP 99 Luftballons - Nena After the Gold Rush - Neil Young As Tears Go By - The Rolling Stones Capricorn - Barcley James Harvest Buddy Joe - Golden Earring Der goldene Reiter - Joachim Witt Deja vu - Spliff Down to the Waterline - Dire Straits Have You Ever Seen the Rain - CCR He, John - Puhdys Helpless - Crosby Stills Nash & Young I Just Called to Say I Love You - Stevie Wonder Knocking On Heaven‘s Door - Bob Dylan Kristallnacht - BAP Lady Writer - Dire Straits Like A Hurrican - Neil Young Look at Mother on the Run - Neil Young Major Tom - Peter Schilling Missing You - John Waite My On My - Slade No Bomb - Berluc Perlenhaarmädchen - Omega Powerfinger - Neil Young Run to You - Bryan Adams Tausend Mal berührt - Klaus Lage Wenn der Mond die Sonne berührt - Hubert K. Wouldn‘t It Be Good - Nik Kershaw
Christoph Popig
Roland Richter
Andreas Kühnemund
Michael Wollny
M.Wollny / H.Hanusch / A.Kühnemund / Chr.Pobig / B.Schneider
Sächsische Zeitung Frühjahr 1985
Muggenvertrag 1984