Rezension - 5-CD Amiga Heavy Metal
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© www.ostmusik.de 2024
Thomas Behlert mit freundlicher Genehmigung
DDR-Blues und Pop ist abgearbeitet, ebenso Punk und Jazz, nun wird noch etwas
auf der Heavy-Metal-Welle gehämmert. Die „Heavys“, die laut Statistiken der
Staatssicherheit nach den Skinheads in den 1980er Jahren die größte Subkultur
bildeten, waren zunächst unerwünscht, da sie sich mit Klängen westlicher Herkunft
beschäftigten. Im DDR-Fernsehen fand Heavy Metal niemals statt, auch Platten gab
es fast nicht.
Die Fans sparten ihr Geld und besorgten sich in Ungarn wichtige Pressungen, aber
auch Material für die Herstellung von typischem Outfit. Eingeschmuggelte Metal-
Zeitschriften aus der BRD und Aufnahmen auf Kassetten gingen von Hand zu Hand.
Als das mit der Heavy Metal Musik nicht mehr aufhören wollte, schaltete sich die
FDJ ein und organisierte für willige Musiker Auftrittsmöglichkeiten und
Übungsräume. Der Jugendsender DT 64 rief die Sendung „Tendenz Hard bis Heavy“
ins Leben. Immer mehr Bands gründeten sich, die vor allem für die Fans die
Originale nachspielten und ab und an eigene Songs kreierten, die sie sogar im
Rundfunk aufnehmen konnten.
Die Box enthält erst einmal „Live im Stahlwerk“ von der Combo Formel 1, die laut
und vernehmlich rufen: „Willste nicht uffstehn“, den „Fußballfan“ beschreiben und
eine Geschichte vom „Eddie“ vorstellen. Grandios auch „Mach keine Wellen“, das
herrlich dreckig, knallschotend und vernehmlich einen fast leeren Raum ausfüllt.
Noch einmal Norbert Schmidt (voc), Wolfgang Densky (g), Detlef Dudziak (bg), Peter
Finck (dr) und den aus der Slowakei stammenden und einstmals bei den
Jazzrockern Collegium Musicum mitwirkenden Andrey Horvath hören und sich daran
erinnern, wie sie bei den Konzerten Bands aus dem kapitalistischen Ausland (Iron
Maiden, Saxon. Black Sabbath) mehr als nur nachspielten.
Weiter gibt es in der schmalen Box den Sampler „Kleeblatt Nr. 22“, der zu einer Serie
gehörte, die neue Bands vereinigte und sich hier an die Heavy Metal-Szene anschleimte.
Mit dabei sind Plattform, MCB und Cobra, die den „Einstufungstest“ vor den staatlichen
Behörden bestanden und trotzdem ordentlich auf Gitarren und Schlagzeug
einprügelten. Die Drei beriefen sich auf Judas Priest, Saxon und Running Wild und
vermischten den Sound kräftig mit eigenem Material. Cobra wollte als Poserbands
gelten und präsentierte live eine abgefahrene und bunte Bühnenshow. Plattform
sangen krachende und knackende Lieder, z.B. „Heavy Braut“.
Ganz verrückt trieben es MCB aus Magdeburg, mit denen Amiga ein ganzes Album
aufnehmen wollten, welches aus kulturpolitischen Gründen nie veröffentlicht wurde.
Nun gibt es drei Lieder (Sic!), die ihre Leidenschaft auf Speed und Black Metal aufzeigen.
Um im Rundfunk gespielt zu werden, nahmen sie „Eisenmann“ und den Knaller „Heavy
Mörtel Mischmaschine“ (Yeah, was für ein Titel!) auf.
Neben den zwei offiziellen Veröffentlichungen legte man der Box drei Alben bei,
die Rundfunkmittschnitte enthalten und die Vielfältigkeit der DDR-Metal-Szene aufzeigen.
Auf „Speed Up“ sind Merlin, Headless (Berlin) und Hardholz aus Tambach-Dietharz (Thüringen)
verewigt. Die Musiker aus dem Thüringer Wald hatten sich Metallica aus Vorbild
auserkoren und wegen einiger Verbote erst nach der Wende eine „Best Of“
veröffentlichen konnten. Immer dabei das Power-Stück: „Wieland der Schmied“. Mit
Speed Metal und Helloween im Kopf verarbeiteten Merlin vor allem historische
Themen, sangen hart und gerecht über den Zauberer Merlin und König Artus.
Die Zusammenstellung „Tendenz Hard bis Heavy“ vereinigt die besten Songs aus
der gleichnamigen Radiosendung. So gibt es Crystal und Biest, die 1986 trotz
Schlägerei im Görlitzer Kulturhaus „beste Amateur-Heavy Band der DDR“ wurden.
Slayer und Grave Digger hätten ihre helle Freude an Biest gehabt. Mit dabei
außerdem Feuerstein, die sich an Motörhead versuchten und stimmlich viel zu
bieten hatten.
1975 fanden sich Babylon, die 1983 das Keyboard verbannten und sich an AC/DC und Krokus
abarbeiteten. Den Song „Geisterstunde“ hörte man 1988 auf dem Album „Dynamit“ wieder,
das allerdings sehr abgeschwächt und blutlos in die Läden kam.
Schließlich wagte sich die FDJ sogar an ein Heavy Metal Festival.
Am 3. März 1988 kam es in der Hauptstadt der DDR zu einer Vereinigung der
bekanntesten Heavy Metal Bands. Neben Biest, Plattform, Merlin und Cobra durften
auch Dr. Rock, Pharao und Mephisto den Kulturpalast zum Einsturz bringen. Was
etwas später die BRD vollendete.
Info: Heavy Metal, 5 fach CD, Sechzehnzehn (Buschfunk)