08.03.2025 Niesky - Hans die Geige
Eine Veranstaltung zum Thema Nachhaltigkeit
Bericht: Peter Günther / Bearbeitung: Birgit Meister // Fotos: Peter Günther (2025)
© www.ostmusik.de 2025
Im Jahr 2007 organisierte ich in Eigenregie ein gut besuchtes Konzert mit IC Falkenberg in
Niesky. Ein Jahr später, zu meinem 50. Geburtstag noch einmal, da war das Duo Apfeltraum
zusätzlich mit dabei.
Dabei machte ich meine ersten Erfahrungen auf diesem Gebiet und erfuhr, was an so einer
Veranstaltung alles dranhängt: das Buchen des Veranstaltungsorts (Bürgerhaus Niesky),
Werbung, Eintrittskarten herstellen, gastronomische Versorgung absichern und vieles
andere mehr.
Sehr aufwendig, zumal ich zu diesem Zeitpunkt auch einem Job nachging.
Wie kam es, dass ich mich nach langer Zeit wieder in die Entstehung und
Organisation einer Veranstaltung in Niesky, meiner Heimatstadt, einbrachte?
Es war Frustration und Unzufriedenheit über das hier existierende, recht einseitige
kulturelle Angebot.
In dem Wunsch, mich in eine Veränderung einbringen zu können, artikulierte ich mein
Anliegen bei einem mir bekannten Mitglied des Stadtrats, Norbert Polossek (CDU),
in dem naiven Glauben, dass mein Anliegen Gehör fände.
Das Ergebnis war ernüchternd und niederschmetternd zugleich, denn es gäbe
niemanden in diesem Gremium, der konkret als Ansprechpartner in Frage käme und
ich hatte den Eindruck, mit meiner Anfrage und Anregung nur lästig zu sein.
So etwas baut nicht auf und ich dachte im ersten Moment, na dann eben nicht, dann
bleibt‘s. Meine blauäugige Annahme, dass diese gewählten Menschen für
mich/meine Anliegen da seien müssten und nicht umgekehrt, erwies sich als eine
Illusion.
Etwas später bekam ich Kontakt mit dem Bürgerbeauftragten der Stadt Niesky,
Herrn Tobias Schlüter, welcher sich des Themas offener und entgegenkommender
annahm. Nach intensivem Austausch entstand die Idee zu einer Veranstaltung im
Rahmen eines Themenabends zur Nachhaltigkeit mit musikalischer Umrahmung.
Das war Mitte Oktober vergangenen Jahres. Mir fielen ad hoc viele Künstler ein,
doch in Anbetracht der musikalischen Vielfalt entschied ich mich im zweiten
Gedankengang für „Hans die Geige“.
Nach persönlicher Rücksprache mit ihm kam es spontan zu seiner Zusage.
Dann ging es überraschenderweise ganz schnell. Herr Schlüter buchte langfristig für
den 08. März 2025 den Saal vom Bürgerhaus Niesky, der Vertrag mit Hans wurde
zügig aufgesetzt und damit waren die Grundvoraussetzungen geschaffen.
Im Plan war zu diesem Zeitpunkt (Anfang November 2024) ein großes Konzert mit
ihm als Rahmen zum Thema Nachhaltigkeit, was inhaltlich einen kleineren Part einnehmen
sollte. Von Anfang an stand fest, dass es für Besucher kostenfrei werden sollte.
Das klang alles gut und machte mich sehr optimistisch.
Die Werbung sollte zeitnah in verschiedenen Stufen beginnen, was in der heutigen
Zeit unabdingbare Voraussetzung für das Gelingen darstellt. Doch dabei stagnierte
der Prozess. Es ging trotz wiederholter Hinweise zu dieser Notwendigkeit nicht
weiter. In Eigeninitiative warb ich auf meiner Webseite für die Veranstaltung und
prompt gingen erste interessierte Nachfragen bei mir ein.
Bis Mitte Januar änderte sich an diesem Zustand nichts, dann erschien eine kleine
Anzeige dazu im Nieskyer Stadtblatt: klein, fein, unauffällig und schnell überlesbar.
Desweiteren wurde mir nun das geplante Programm bekannt gegeben, was mit den
Vorabsprachen nicht mehr viel zu tun hatte. Vorträge, Filme und Lesungen zum
Thema DDR-Nachhaltigkeit dominierten das Vorhaben, die Musik rückte in den
Hintergrund, sollte in kleinen Blöcken zwischen diesen Beiträgen von der Bühne
erklingen.
Mehr als nur ein Konzertbericht
Was dann folgte - die Einzelheiten möchte ich mir und den Lesern hier ersparen - war ein langes Ringen um eine
ausgewogene Balance aller künstlerischen Richtungen für diesen Abend, an dem der gebuchte Künstler
Hans die Geige und seine Frau Daniela großen Anteil haben.
Ihnen selbst war der Auftritt in Niesky sehr wichtig, ist es doch fast 16 Jahre her, dass sie hier zuletzt gastierten.
Ich hatte Anfang Februar ein paar Plakate, welche durch den Veranstalter erstellt worden waren, in Niesky an
markanten Stellen angebracht. Wirksame Handflyer standen nicht zur Verfügung.
Nach Rücksprache mit dem Künstler „Hans die Geige“ und seiner Ehefrau ca. zwei Wochen vor der Veranstaltung
entschlossen sie sich kurzerhand, eigene, extra für diesen Tag erstellte Plakate und Flyer in Druck zu geben und mir
persönlich zu übersenden. Und das hat auf den Tag funktioniert.
Ich ging wieder in die Spur und konnte an vielen Stellen der Stadt diese neuen Exemplare unterbringen und wurde
bei allen dabei mitwirkenden Stellen sehr wohlwollend aufgenommen.
Dieser Aufwand wirkte sich sichtbar positiv auf die Buchungen (welche über verschiedene Formen digital möglich
waren) aus.
Und dann kam der 8. März, der Tag, an dem dieser besondere Abend stattfinden sollte. Ich denke, dass alle Beteiligten
etwas aufgeregt waren, denn diese Form, noch dazu am Frauentag, war schon etwas Besonderes, wenn nicht sogar
Einmaliges.
Gegen 14 Uhr traf Hans die Geige mit seiner Ehefrau Daniela und dem Helfer Torsten vor Ort ein. Nach Begutachtung
der Austragungsstätte ging es an die Abstimmung mit den Haustechnikern des Bürgerhauses Niesky bezüglich der
Nutzung vorhandener Technik. Obwohl diese nicht dem allerneuesten Stand entspricht, war Hans von Sound und Klang
dieser sehr beeindruckt und zufrieden.
Wie nach einem Drehbuch ging es an den Aufbau von zusätzlichem Licht und anderen technischen Utensilien aus dem
technisch noch notwendigen Fundus von Hans.
Die Zeit verging bei dem nachfolgenden Test und dem Sound Check wie im Fluge.
Bis kurz vor Beginn der Veranstaltung wurde nochmals am Programm getüftelt, verändert und angepasst.
Endlich öffneten sich die Türen für die Besucher. Traurig musste ich im Nachhinein feststellen, dass die wenigsten
Interessierten aus Niesky selbst kamen. Andere waren aus weit entfernten Orten (u.a. Jena, Halle, Oschatz, Berlin,
dem Striegistal) angereist, um die kommenden ca. drei Stunden im Bürgerhaus Niesky zu erleben.
Letztendlich waren es insgesamt nur 86 Leute.
Am Anfang stand ein kurzer Filmausschnitt aus dem Dokumentarfilm „Die Schmerzen der Lausitz“ aus dem Jahr
1989/1990 von Peter Rocha. Zur musikalischen Einstimmung folgte das Musikvideo „Sky“ von Hans die Geige
von 1994.
Nun eröffnete Tobias Schlüter, der Hauptorganisator des Abends, die Veranstaltung mit einem kleinen Überblick
über den Ablauf. Auch die Oberbürgermeisterin, Frau Kathrin Uhlemann, wünschte allen Anwesenden einen
schönen Abend und freute sich über das große Interesse.
Vor dem ersten musikalischen Set kam Róža Domašcyna mit Texten zum Frauentag
zu Wort. Sie ist Lyrikerin, Dramatikerin, Übersetzerin und Herausgeberin von Texten
in deutscher und obersorbischer Sprache.
Danach konnte ich Hans die Geige ankündigen. Seit über 52 Jahren steht er bereits
auf der Bühne. Er hat in diversen renommierten DDR-Bands wie Schubert
Formation, Kleeblatt, Lift, Reform und Klosterbrüder gespielt und ist seit vielen
Jahren erfolgreich Solo unterwegs.
Er wurde mit viel Beifall gebührend begrüßt und bestritt die ersten ca. 45 Minuten
aus einer bunten Mischung seines Repertoires. Dazu gehörten Titel wie Klassik II,
Ave-Maria, Die Moldau, die mehr als aktuellen Titel „Deutschland“ und „Was dann“,
in die aktuelle Reflektionen zur heutigen Zeit einfließen.
Die positiven Reaktionen des Publikums auf seine herzliche, authentische Art, sein
musikalisches Können, die kluge Auswahl der Lieder, spornten ihn immer mehr an,
seine Lust an diesem Abend, hier aufzutreten, war unübersehbar. Nur ungern entließ
man ihn in die darauffolgende Pause.
Der zweite Teil des Programms wurde mit einem ca. 17-minütigen Ausschnitt, aus
dem schon am Anfang erwähnten Dok-Film eröffnet, in dem u. a. Gerhard
Gundermann und der Schriftsteller Jurij Koch zu Wort kommen.
In den darauffolgenden ca. 20 Minuten las Róža Domašcyna Texte und Gedichte zur
Geschichte der sorbischen Kultur.
Hans die Geige im zweiten Teil sollte dann noch einmal musikalisch anheizen, was
ihm schon mit den ersten Klängen gelang. In den nächsten knapp 50 Minuten
knüpfte er mit kleinen Geschichten zu seinen dann gespielten Titeln nahtlos an. Auf
diese möchte ich nun nicht näher eingehen, da sie den meisten Lesern bekannt
sind. Doch ein Titel war dabei ganz neu, ein Liebeslied, etwas, wie er auch ansagte,
er früher nie gedacht hätte, es so jemals zu schreiben.
Für mich war die Reaktion des Publikums faszinierend. War die Zurückhaltung der
Hörer schon im ersten Konzertteil schnell übergangen, steigerte sich im zweiten Teil
die Stimmung von Minute zu Minute, verhallte bei ruhigen Titeln zu aufmerksamem
Zuhören und schlug bei rhythmischen Sounds unverkennbar in lebhaftes Mittun um.
Als am Ende der Zugabe gar noch das „Perlenhaarmädchen“ von Omega erklang,
gab es kein Halten mehr, einige tanzten im hinteren Bereich des Saals und es saß
fast niemand mehr, ein lautstarkes Mitsingen am Ende dieses Titels hallte durch das
Gebäude.
Es war der Abschluss eines denkwürdigen Abends, wer ihn miterlebt hat, weiß,
wovon ich schreibe. Nicht wenige der Anwesenden gingen danach auf Hans zu und
bedankten sich für sein Kommen und seine Musik. Auch bei mir blieben einige
stehen, um sich zu bedanken, ein echt schönes Gefühl. Eine Frau sagte zu mir:
„Es war ein Abend für die Seele“.
Doch es bleibt ein Wehmutstropfen: der Gedanke daran, was man im Vorfeld zu
diesem Tag in Sachen Publikation hätte besser machen können, um mehr
Menschen zu erreichen, zu informieren, was sie sich kostenlos hätten gönnen
können.
Und heute, wenige Stunden bevor ich diese Zeilen schrieb, hielt spontan ein Auto
vor meinem Haus und ich erkannte einen Mitarbeiter des Bürgerhauses Niesky, der
an diesem Abend seinen Dienst dort hatte. Er berichtete mir, dass am heutigen Tag,
zwei Tage nach der Veranstaltung eine rege Unterhaltung bei dem Mitarbeitern des
Hauses stattfand und man zu der Erkenntnis kam, dass dieser besagte Abend seit
langem das Beste war, was im Kulturangebot der Stadt präsentiert wurde.
Könnte es in dieser Form nicht weitergehen? Mit mehr Bürgern der Stadt als Besucher?
Einen Dank möchte ich an dieser Stelle noch formulieren:
An Andre Schlüter für die Idee und Umsetzung, seine Bereitschaft zur Akzeptanz
anderer Ansichten und Ideen, an das Bürgerhaus und seine technischen Mitarbeiter,
auch für die tolle gastronomische Betreuung.
An alle Besucher der Veranstaltung und natürlich an die Mitwirkenden:
Frau Róža Domašcyna, Hans die Geige mit Ehefrau Daniela, welche die tontechnischen
und optischen Voraussetzungen für seinen Auftritt schaffte, sowie Thomas für seine Hilfe
beim Aufbau der Anlage.
Und an meine liebe Ehefrau Birgit, welche mein leidenschaftliches Tun im Hintergrund
wirksam begleitet und unterstützt, mir mit ihren Gedanken und Hinweisen hilft,
auch andere Sichtweisen und Ideen einzubringen.