27.06. + 28.06.2025 Neuruppin - Klassentreffen der Ostmusik
Tag 2
Bericht: Rüdiger Schütz (2025) / Fotos: Steffen Kaupke + Peter Günther
© www.ostmusik.de 2025
Der zweite Tag des Klassentreffens der Ostmusik kündigte eine noch breitere und hochkarätigere Sammlung noch existierender
und eigentlich bereits verabschiedeter Bands an.
Dies war und ist für die Zukunft des Festivals eine tolle Sache, wenn nämlich bereits offiziell nicht mehr existierende Bands nur
für dieses Festival der Ostmusik noch einmal zusammen auftreten - und vielleicht deshalb sogar Spaß daran finden, erneut
Konzerte zu spielen. Dies betraf hier MTS und Chicorée. Aber der Reihe nach:
Wir Besucher erwarteten laut Veranstalter folgende Bands in folgender Reihenfolge:
- MTS
- Klosterbrüder
- Jonathan Blues Band
- Modern Soul Band
- Berluc
- Chicorée
- Karussell und
- Silly.
Ein anstrengender Tag bei hochsommerlichen Temperaturen lag vor uns, er versprach jeweils 60-minütige Konzerte von
12:30 Uhr bis 21:45 Uhr. Sehr bald machte die Mitteilung die Runde, dass durch einen „Monster-Stau“ auf der
Autobahn A 10 Richtung Neuruppin der Zeitplan wohl nicht einzuhalten war.
MTS
Mit leichter Verspätung begann MTS ihr Konzert.
Die Gruppe gehört zu den Formationen, die 2023 angekündigt hatte,
eine Abschiedstournee (eines dieser tollen Abschiedskonzerte konnte
ich im Frühjahr 2024 in Döbeln hören) zu bestreiten.
Umso mehr freute man sich, dass sie hier noch einmal auftraten.
Auf der Website der Gruppe kann man seit einiger Zeit sogar lesen:
„Jetzt: 2025: „50 Jahre MTS-Jubiläums- und Abschiedstour ´FERT5CH´!
Die Zugaben“.
Das bedeutet, dass man (1973 gegründet) jetzt schon 52 Jahre auftritt
und dies auch noch 2026 als „Zugabe“ tun wird.
Uns Zuhörer freut dies ganz besonders!
Einst von Detlef Bruno Melzer, Herbert Treichel und Thomas Schmitt mit
dem Slogan „Mut Tatendrang Schönheit“ gegründet, änderte man diese
Buchstabenfolge „MTS“ immer einmal ab. Nach der Wende lautete sie
„männlich, temperamentvoll und schnuckelig“, später kam „makaber,
taktlos aber sauber“ hinzu.
In den letzten Jahren firmiert die Gruppe als Duo mit Thomas Schmitt
(wird 75 Jahre alt) und dem wesentlich jüngeren Frank Sültemeier oft
als „Betreutes Singen“.
Das Publikum hörte einen bunten Mix aus z.B. uralten Hits wie
„10 böse Autofahrer“, „Ein Pferd wie du und ich“ und neueren Liedern
wie „Der schönste Platz ist an der Apotheke“ und „Klassentreffen“.
Ein freudvoller Auftakt des zweiten Festivaltages!
Dirk Zöllner & Manuel Schmid
Nun sollten eigentlich die Klosterbrüder auftreten, aber einige der
Bandmitglieder steckten über mehrere Stunden im Stau fest.
Und somit kam - um die entstehende Pause zu „überspielen“ - der
Veranstalter auf die großartige Idee, zwei Künstler auf die Bühne zu bitten,
die am Vortag schon auftraten bzw. noch auftreten sollten:
Manuel Schmid (Stern Combo Meißen) und Dirk Zöllner (Die Zöllner -
Chicorée).
Ich will es gleich hier klar sagen: dieser Auftritte war für mich und viele
Zuhörer/innen das Highlight des Festivals. Warum?
Ganz einfach: spontanes Auftreten zweier Superstars der Ostmusikszene,
die einfach losspielen - und dadurch noch andere Musiker animieren,
auf die Bühne zu kommen, um eine Jamsession vom Feinsten zu bieten.
Schmidt und Zöllner treten in letzte Zeit öfter in kleineren Formationen auf,
so auch als Duo gemeinsam mit André Giesecke und Marek Arnold.
2024 entstand so die fabelhafte CD „Die schönsten BALLADEN aus dem
LAND vor unserer ZEIT“. Eine sensationelle Hommage an die schönsten
Balladen, die zu DDR-Zeiten entstanden.
In Neuruppin erklangen so u.a. „Reichtum der Welt“ von Holger Biege,
„Nach Süden“ der Gruppe Lift, „Es gibt Momente“ von Johannes „Hansi“
Biebl und „Schnee und Erde“ der Stern Combo Meißen.
Zum frenetisch bejubelten Höhepunkt erklang der Kult-Hit „Cäsar Blues“
der Renft Combo, zu dem spontan Ferry Grott von der Modern Soul Band
Trompete und Matthias „Matze“ Stolpe (er trat später mit der Jonathan
Blues Band auf) Mundharmonika spielten.
Allein für diesen spontanen Auftritt dieser Musiker lohnte sich der
Besuch des ganzen Festivals!
Jonathan Blues Band
Als nächstes brachte die Jonathan Blues Band einen neuen Farbtupfer
in das Festival.
Sie sind die „Ost-Bluesrock-Band“ und genießen in der sog. „Blueser
Szene“ Kultstatus. Ihre Musik wird hauptsächlich von Johny Winter
und Stevie Ray Vaughan inspiriert.
An der Gitarre und als Sänger hörten wir Peter Papst, am Bass
Hagen Dyballa und am Schlagzeug Matthias Fuhrmann. Zu einigen
Titel gesellte sich der schon genannte Matthias „Matze“ Stolpe hinzu.
1980 als Amateurband gegründet, wechselte man sechs Jahre später in
die Profiszene und konnte ein Jahr später ihre erste und einzige
LP „Überdruck“ bei Amiga veröffentlichen.
Neben vielen englischsprachigen Titeln spielte man als Bluesrockband
auch eine ganze Reihe Songs mit deutschen Texten, von denen bei
ihrem Auftritt in Neuruppin leider zu wenige zu hören waren.
Modern Soul Band
Nach wenigen Minuten Pause folgte der furiose Auftritt der
Modern Soul Band.
Gegründet vom heute 85-jährigen Gerhard „Hugo“ Laartz am Keyboard
gehört die Soul-Band nach wie vor zum allerfeinsten, was in deutschen
Landen für diese Musikrichtung auftritt.
MSB besticht seit ihrer Gründung mit höchster musikalischer
Qualität in allen Bandteilen, sowohl in der Rhythmusgruppe
(Jörg Dobersch, Bass und Matthias „Matze“ Fuhrmann, Schlagzeug)
als im hervorragenden Bläsersatz (Ferry Grott, Trompete;
Frank Frisch, Saxophon; Stephan Bohm, Posaune) als auch mit
Wolfgang „Nick“ Nicklisch an der Gitarre und Dirk Lorenz, seit dem
Tode von Klaus Nowodworski im Jahr 2001, Sänger der MSB.
Lorenz ist nicht nur ein kongenialer Sänger, sondern auch ein
hervorragender Entertainer.
Neben Gerhard „Hugo“ Laartz, der die Band seit fast sechs
Jahrzehnten hervorragend führt, muss an diesem Tage auch
noch Matze Fuhrmann am Schlagzeug besonders
hervorgehoben werden, der ja gerade mit der Jonathan Bluse Band
spielte und sofort darauf mit MSB auf der Bühne stand.
Dem Autor dieser Zeilen begeisterte bei diesem Konzert besonders
die Tatsache, dass MSB fast ausschließlich eigene Kompositionen
und diese mit deutschen Texten zur Aufführung brachte.
Klosterbrüder
Dies konnte man von den danach auftretenden Klosterbrüdern nicht
behaupten. Das Festival war ja das Klassentreffen der Ostmusik.
Die Klosterbrüder spielten aber leider nur wenige Titel aus ihrem
eigentlich reichhaltigem eigenen deutschsprachigen Songrepertoire.
Zudem hat die Gruppe, wie viele Beobachter seit langem konstatieren
müssen, ein Problem mit den Gesangsbeiträgen.
Als offizieller Sänger der Band fungiert Hannes Andratschke, der
nach dem Tode von Hans-Joachim Kneis 2020 diese Aufgabe
übernahm.
Seine Stimme und seine Interpretation passen nicht immer zu den
bekannten und genialen Titeln der Gruppe aus den Ostrock-Zeiten.
Ein kurzzeitiges Engagement von Hans-Jürgen Beyer (eigentlich als
Schlagersänger bekannt) wurde leider nicht fortgesetzt.
So traten in den letzten Jahren neben Andratschke manchmal noch
andere Sänger auf, die diesen Part aber auch nicht füllen konnten.
Als Sängerin trat im zweiten Teil des Konzerts Steffi Breiting auf, die
als exzellente Jazz-Interpretin bekannt ist. Gespielt wurden nun keine
Titel mehr aus dem breiten Repertoire des Ostrocks der Klosterbrüder,
die erzwungenermaßen zu DDR-Zeiten als Gruppe Magdeburg
auftreten musste.
Das schmälert aber natürlich keineswegs Steffi Breitings Part im
Konzert der Klosterbrüder.
Berluc
Schon lange freute ich mich auf ein Wiedersehen und Wiederhören
mit Berluc.
Ganz so oft gehen sie nicht mehr auf Tournee, umso größer war die
Freude, dass sie auf der Gästeliste für Neuruppin standen.
Der Ursprung der Band liegt in den Herkunftsorten BERlin und
LUCkenwalde als Jazzband in den 1960er Jahren.
Aus diesen Zeiten stammt, so formuliert es die Band in ihren
Konzerten, der älteste aktive Schlagzeuger Deutschlands,
Dietmar Ränker, der mit 86 Jahren immer noch trommelt.
Er spielt nach einer kurzen Pause nach der Wende seit 1993
zusammen mit Sänger Ronnie Pilgrim, dem Gitarristen Bert
Hoffmann, dem Keyboarder Uwe Märzke und dem seit 2012 wieder
zu Berluc gekommenen Bassisten Uwe Carsten.
Gemeinsam sind sie für mich wie für alle Beobachter die Vertreter
des „schnörkellosen Ostrocks“, die aber auch immer wieder die
eine oder andere Ohrwurm-Ballade kreierten.
Und so stehen Titel wie „Gradaus“, „Hallo Erde, hier ist Alpha“ und
natürlich (leider) der Dauerbrenner „No Bomb“ unverwechselbar für
diese Band, die ich besonders mag, weil sie eben seit Jahrzehnten
diesen ehrlichen Rock spielen, ohne Starallüren - eben „gradaus“.
Die Ovationen des Neuruppiner Publikums bestätigten das
wieder einmal.
Hoffen wir, dass uns diese Band noch lange erhalten bleibt!
Karussell
Auf der gegenüber liegenden Bühne war nun Karussell an der Reihe.
Sie ist eines der wenigen Beispiele, wie es eine Ost-Rock-Band
schafft, den Weg in die Zukunft mit den Söhnen (neben Karat) der
Bandgründer zu schaffen.
Die beiden Urgesteine Reinhard Huth (Gesang und Gitarre) und
Wolf-Rüdiger Rasche (Keyboard), gründeten im April 1976
zusammen mit Mitgliedern der auf staatlichen Druck aufgelösten
Band „Renft“ Karussell.
Zusammen spielen sie heute mit Jan Kirsten (Bass, Gesang),
Benno Jähnert (Schlagzeug) und dem jungen wundervollen
Gitarristen Moritz Pachale. Als neue „Frontfigur“ singt und spielt
(Keyboard und Mundharmonika) mit Joe Raschke der Sohn des
Bandgründers.
Karussell ist eine der Bands, die ausschließlich eigene Titel zu
Gehör bringt. Alte Hits der 1970er und 19080er Jahre bilden das
festgefügte Fundament der Konzerte, erweitert von neuen Songs
der jetzigen Jahre, die fast alle aus der Feder von Joe Raschke
und Reinhard Huth stammen.
Zu den Klassikern der Karussell-Titelliste gehört neben solche
Songs wie „Entweder oder“, „McDonald“, „Ehrlich will ich bleiben“
natürlich der Superhit „Als ich fortging“ von Dirk Michaelis, jetzt und
heute stets von Reinhard Huth gesungen.
Es gibt manche Stimmen, die die Songs der letzten beiden
Karussell-CD als zu sehr „schlagerhaft“ finden, aber einige dieser
Titel können sich doch schon mit alten Karussell-Hits messen.
Eines ist aber auch mit dem Konzert in Neuruppin offensichtlich:
ohne die markante Stimme von Altmeister Reinhard Huth kann ich
mir Karussell eigentlich nicht vorstellen.
Chicorée
Die gespannte Ostrockgemeinde erwartete nun einen besonderen
Leckerbissen.
Extra für dieses Festival fand sich die fast vollständige
Originalbesetzung der Band „Chicorée“ wieder zusammen.
Dirk Zöllner spielte mit Frank Brennecke (bg), und
Andre Kunze (keyb) von der Originalbesetzung des Jahres 1987
und einem neu hinzugekommenen Schlagzeuger und einem jungen,
hervorragenden Gitarristen auf.
Zur Aufführung kamen vor allen Dingen Titel ihrer in diesem Jahr
neu erschienen LP „Chicorée PURPUR“.
Diese auf 400 Stück limitierte Extra-Deluxe-Ausgabe des
verdienstvollen Labels ROKKfilm lässt einen Konzertmitschnitt
der 1987er Ausgabe von „Rock für den Frieden“ erklingen und dies
in sensationeller Qualität. Jörg-Rainer Friede hat die alte Aufnahme
in liebevoller Kleinstarbeit neu bearbeitet und ein klangliches
Meisterwerk geschaffen.
Die ersten 100 handsignierten LP waren nach fünf Tagen bereits
ausverkauft. Und am betriebseigenen ROKKfilm-Verkaufsstand
auf dem Hangar 312 verkaufte sich die LP nach dem Auftritt von
Chicorée besonders gut.
Natürlich durfte der Extra-Hit „Käfer auf´m Blatt“ nicht fehlen.
So bleiben beide Ereignisse auf diesem Festival etwas ganz
Besonderes: der Auftritt der Band, die sich noch 1987 trennte und
nach fast 40 Jahren wieder für dieses Konzert zusammenfand und
das Erscheinen dieser wundervollen ersten Chicorée-LP.
Silly
Als letzte Band konnten wir die neben Karat wohl zurzeit in Deutschland
medienwirksamste Band des Ostrocks hören und sehen.
Allein der Aufbau des technischen Equipments zeigte, dass hier jemand
spielt, der alles mit absoluter Professionalität betreibt.
Nach dem Weggang von Anna Loos gab es in der Band eine Reihe von
Veränderungen, die hauptsächlich den Gesangspart betrafen.
Mit der Verpflichtung von AnNaR, ehemaliger Frontfrau von Rosenstolz
und Julia Neigel gelang der Band ein Paukenschlag.
Beide Sängerinnen teilten sich das Repertoire von Tamar Danz und
machten die Band in ganz Deutschland bekannt.
Mit dem Weggang von AnNaR und den zeitweisen Auftritten von
Toni Krahl (ehemals City) bekam die Band eine weitere interessante
gesangliche Nuance.
Krahl verfolgt jetzt sein eigenes, neues Projekt (Toni Krahl und die
KINX vom Prenzlauer Berg), auf das alle sehr gespannt sind.
So übernimmt jetzt Julia Neigel den gesamten Gesangspart und diesen
absolviert sie in absoluter Perfektion.
Neben den Silly-Klassikern (Bataillon d’Amour, Mont Klamott und
Die wilde Mathilde) konnte sie sich die Silly-Songs, die sie am meisten
begeisterten, aussuchen.
Neben den drei festen Silly-Mitgliedern Rüdiger „Richie“ Barton (keyb),
Uwe Hassbecker (Gitarre, Geige) und Jürgen „Jäcki“ Reznicek (bg)
musizieren Ronny Dehm am Schlagzeug und der Hassbecker-Sohn
Daniel als genialer Multinstrumentalist.
Ein perfektes Konzert zum Abschluss dieses grandiosen Festivals, das vielleicht technisch insgesamt etwas übersteuert und zu
laut eingestellt war.
Das schmälert aber in keiner Weise die Eindrücke dieser beiden großartigen Tage auf dem Hangar 312 in Neuruppin, dem
perfekten Ort für diese Konzerte.
Und so freuen sich wohl alle schon auf die zweite Ausgabe des Klassentreffens der Ostmusik am 19. und 20. Juni 2026.
Und dazu fehlten 2025 ein paar Bands, die vielleicht nächstes Jahr auftreten werden: Renft, Karat, Monokel, Engerling,
Jürgen Kehrt wären dabei z.B. zu nennen. Vielleicht hört auch Toni Krahl von der tollen Stimmung auf dem Festival und
kommt mit den KINX vom Prenzlauer Berg dazu oder/und es gibt eine oder mehrere Wiederauftritte von alten Bands,
die lange Jahre eigentlich gar nicht mehr spielten.
In froher Erwartung des 2. Klassentreffens des Ostrocks freuen wir uns auf 2026!